Der deutsche Telekommunikationsmarkt ist nicht nur gesättigt – er ist „pappsatt“. So beschreibt Michael Falkensteiner, Senior Vice President Marketing Communications & Devices bei der Deutschen Telekom, das Umfeld, in dem sich der Marktführer behaupten muss. Erfolg in diesem Umfeld verlangt drei Dinge: Unverwechselbarkeit, Bedeutsamkeit und mentale Präsenz. Für die Telekom heißt das: KI-gestützte Markenführung konsequent mit innovativen Media-Ansätzen zu verbinden – um Produkte klar zu differenzieren, die Marke im Relevant-Set zu verankern und sie emotional aufzuladen.
Ein Paradebeispiel ist die Unlimited-Kampagne vom Juni 2025: „Die schönsten Dinge sollten kein Ende haben.“ Dieses Leitmotiv wollte die Telekom auch auf YouTube lebendig machen. „Wir wollten dieses Gefühl von grenzenloser Fülle aus dem Produkt heraus in andere Lebenswelten übersetzen“, erklärt Falkensteiner. Da jedoch jeder Mensch sein eigenes „Schlaraffenland“ hat, lag der Schlüssel in konsequenter Personalisierung.
Veo als Kreativturbo
Um die Leitidee für Bewegtbild weiterzudenken, setzte die Telekom auf Veo, den KI-basierten Videogenerator von Google. Das Tool erstellt aus Text-, Bild- oder Videoprompts eigenständig neue Clips – mit authentischer Kameraführung, natürlicher Bewegung und atmosphärischer Tiefe.
So entstanden individualisierte Creatives für verschiedene Affinitäten – direkt im Quer- und Hochformat, ohne zusätzliche Drehtage. Food-Lover bekamen die endlos lange Pizza aus dem Ofen der Großmutter, Musikliebhaber*innen einen scheinbar unendlichen Plattenladen. Szenen, die Fantasie greifbar machen – und Zielgruppen auf einer persönlichen Ebene abholen.
„Man kennt den Vergleich zwischen King Charles und Ozzy Osbourne“, so Falkensteiner. „Beide in Großbritannien aufgewachsen, Schlossbewohner, weiß, männlich, Jahrgang 1948, zweimal verheiratet, wohlhabend und berühmt – und dennoch Welten auseinander in ihren Vorlieben. Genau das hat Veo für uns greifbar gemacht: Wir konnten deutlich mehr Segmente adressieren und jedem relevante, maßgeschneiderte Assets zuordnen – mit spürbar höherer Wirkung.“
Kreativer Prozess: Pingpong zwischen Mensch und Maschine
Für die kreative Umsetzung verließ das Team bewusst klassische Strukturen. Keine fixen Drehpläne, kein lineares Storyboard – stattdessen ein iteratives Pingpong zwischen Mensch und Maschine, getragen von enger Abstimmung zwischen Google, Telekom und mehreren Agenturen.
KI war dabei nie Selbstzweck, sondern strategischer Katalysator. „Für mich ist KI ein Vehikel, das unsere Kreativität potenziert – ‚Creativity on Steroids‘, wie ich es nenne“, sagt Falkensteiner. Dass KI auch übersteuern kann, zeigte sich beim Prompt „Unlimited Urlaub“: Plötzlich gingen sieben Sonnen gleichzeitig über einer Südseeinsel auf. Ein eindrucksvoller Reminder, dass menschliche Kuration unverzichtbar bleibt.
Am Ende standen 150 Veo-generierte Varianten. Nicht alle gingen live – entscheidend war die prognostizierte Wirkung. Kreativität allein genügt nicht – sie muss performen.
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Um die Leitidee „Die schönsten Dinge sollten kein Ende haben“ als Video zu realisieren, setzte die Deutsche Telekom auf Veo.
Daten, Effizienz und Effektivität: KI in der Mediaplanung
Auch in der Mediaplanung spielte KI eine Schlüsselrolle. Telekom setzte auf KI-gestützte Video-View-Kampagnen auf YouTube, die deutlich präziser als klassische Methoden sind. Sie verbanden Assets datenbasiert mit den jeweils relevantesten Zielgruppen – und spielten sie als skippable Ads oder YouTube Shorts aus.
Um die Wirkung zu belegen, testete die Telekom im A/B-Setting: Veo-Assets versus klassische TV-Spots (TVCs). Die mit Veo produzierten Video-Creatives überzeugten in nahezu allen Kennzahlen. Die Viewrate lag bei über 56 Prozent, deutlich über dem Branchendurchschnitt von 37 Prozent. Der Ad Recall stieg um 3,8 Prozentpunkte absolut – ein Spitzenwert. Das Fazit: KI-generierte, personalisierte Creatives schlagen klassische Einheitswerbung – messbar, skalierbar, effizient.
Mehr als Technik: Veo als Treiber des Kulturwandels
Für die Telekom war die Veo-Kampagne weit mehr als ein Tech-Experiment. Sie wurde zum Katalysator für kulturellen Wandel. „Mut gibt dir keine KI – Mut ist eine bewusste menschliche Entscheidung“, betont Falkensteiner. Genau dieser Mut – getragen von einem interdisziplinären Kernteam, das unbeirrbar an der Idee festhielt – machte den Unterschied.
Dabei waren Partnerschaften entscheidend. „Ohne Google wäre das nicht möglich gewesen. Es war ein Gemeinschaftswerk – getragen von Vertrauen, Offenheit und der Bereitschaft, Neues zu wagen.“ Die zentrale Erkenntnis: Technologische Transformation braucht kulturelle Transformation.
Key-Takeaways für Marketer
- KI verstärkt, ersetzt aber nicht:
Generative Tools wie Veo steigern Kreativität und Effizienz – vorausgesetzt, sie werden gezielt eingesetzt. Sie ermöglichen personalisierte Ansprache in großem Stil – schneller, günstiger und wirksamer als klassische Formate. - Personalisierung als Performance-Treiber:
KI-gestützte Zielgruppenansprache schlägt klassische Formate messbar – mit höheren Viewrates und Ad-Recall-Werten als TVCs. - Kultureller Wandel als Erfolgsfaktor:
Innovation entsteht durch Mut, interdisziplinäre Teams und die Bereitschaft, Fehler als Lernchance zu nutzen.